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AutorenbildThomas Laggner

Identitätsorientierte Psychotraumatheorie (IoPT) - Die Methode der Anliegenaufstellung

Franz Ruppert ist ein deutscher Psychologe, Psychotherapeut und Professor, der durch die Entwicklung seiner Methode „Identitätsorientierte Psychotraumatheorie“ (IoPT) bekannt geworden ist. Seine Arbeit hat in den letzten Jahrzehnten maßgeblich dazu beigetragen, neue Ansätze in der Traumatherapie zu etablieren. Ruppert beschäftigt sich insbesondere mit der Frage, wie Traumata die menschliche Psyche und Identität beeinflussen und wie daraus entstandene Spaltungen überwunden werden können.


Prof. Dr. Franz Ruppert stellt seine ganz besondere Methode und Haltung vor. Kernaussage: Heilung geschieht, wenn sie geschehen darf!

Heilung ist immer Selbstheilung!

Ich schaffe einen Raum, in dem Heilung geschehen darf.

Sprich: Ich will leben, ich will lieben, ich will geliebt werden!


Identitätsorientierte Psychotraumatheorie (IoPT)

Die Identitätsorientierte Psychotraumatheorie (IoPT), auch oft als die „Methode der Anliegenaufstellung“ bezeichnet, basiert auf der Überzeugung, dass viele psychische und physische Probleme auf ungelöste Traumata zurückzuführen sind. Ruppert unterscheidet dabei drei grundlegende Traumaarten:

  1. Bindungstrauma: Traumata, die in der frühen Kindheit entstehen, wenn die emotionale Bindung zu den Eltern gestört ist.

  2. Schocktrauma: Traumatische Erlebnisse, die durch spezifische, oft einmalige und überwältigende Ereignisse verursacht werden.

  3. Identitätstrauma: Traumata, die entstehen, wenn die Entwicklung einer stabilen, gesunden Identität blockiert oder zerstört wird.


Ruppert argumentiert, dass Menschen aufgrund von Traumata ihre Psyche spalten und Anteile von sich abspalten, die zu schmerzhaft sind, um sie zu integrieren. Diese abgespaltenen Teile können dann verschiedene Symptome verursachen, wie etwa Ängste, Depressionen, psychosomatische Erkrankungen oder Beziehungsprobleme.


Anliegenaufstellung

Das zentrale Werkzeug der IoPT ist die Anliegenaufstellung. Sie basiert auf dem Konzept des sogenannten "Selbstbegegnungsprozesses". Dieser Prozess bietet eine Möglichkeit, verdrängte oder abgespaltene Anteile des eigenen Selbst zu erkunden und zu integrieren. In einer Anliegenaufstellung wird ein bestimmtes Anliegen, das die Person in Bezug auf ihre aktuelle Lebenssituation hat, formuliert und mithilfe von Stellvertretern oder in einer Einzelarbeit aufgestellt.


Schritte der Anliegenaufstellung

  1. Formulierung des Anliegens: Die Person formuliert ein Anliegen, das sie beschäftigt, meist in einem kurzen Satz oder Wort. Diese Anliegenformulierung ist oft der Ausgangspunkt, um in tiefere Schichten der Psyche zu schauen.

  2. Selbstbegegnung: In der Aufstellung, die in einer Gruppe oder als Einzelarbeit stattfinden kann, wird das Anliegen durch Stellvertreter repräsentiert. Die Stellvertreter übernehmen dabei die verschiedenen Worte des Anliegens.

  3. Erforschung und Integration: Durch das Nachspüren und die Wahrnehmung der Stellvertreter (oder der eigenen Wahrnehmung bei einer Einzelarbeit) kann die Person mit abgespaltenen Anteilen in Kontakt kommen. Dies ermöglicht es ihr, innere Dynamiken zu verstehen, emotionale Blockaden aufzulösen und traumatische Erfahrungen zu integrieren.


Ziel der IoPT

Das Hauptziel der IoPT besteht darin, Menschen zu helfen, ihre Identität zu klären und wiederherzustellen. Dies bedeutet, die abgespaltenen Anteile des Selbst zu reintegrieren und sich von den durch traumatische Erlebnisse auferlegten Fremdanteilen zu lösen. Der Prozess unterstützt dabei, eine klare und authentische Identität zu entwickeln, die frei von den Prägungen und Konditionierungen ist, die durch traumatische Erlebnisse entstanden sind.


Unterschiede zur klassischen Familienstellen-Methode

Obwohl die Anliegenaufstellung in der Praxis gewisse Ähnlichkeiten zur Familienaufstellung aufweist, ist der Ansatz der IoPT grundsätzlich anders ausgerichtet. Bei der Anliegenaufstellung geht es nicht darum, Beziehungen innerhalb des Familiensystems zu klären, sondern vielmehr um die Innenschau und die Wiederherstellung der eigenen Identität. Es handelt sich um eine introspektive Arbeit, die den Fokus darauf legt, die eigenen inneren Strukturen und Traumata zu erkennen und zu heilen, anstatt externe Systeme zu verändern.


Kritische Betrachtung

Die Methode von Franz Ruppert hat sowohl starke Befürworter als auch Kritiker. Die Anhänger loben die IoPT für ihre tiefgehenden Einsichten und die Möglichkeit, innere Konflikte und Traumata nachhaltig zu heilen. Sie betonen die Wichtigkeit des behutsamen Vorgehens und die Fähigkeit, tief verwurzelte emotionale Wunden aufzudecken. Kritikerhingegen bemängeln unter anderem den fehlenden empirischen Nachweis für die Wirksamkeit der Methode sowie das Potenzial, durch die intensive Auseinandersetzung mit traumatischen Inhalten in tiefe emotionale Krisen zu stürzen.


Fazit

Die von Franz Ruppert entwickelte Identitätsorientierte Psychotraumatheorie (IoPT) bietet einen innovativen Ansatz zur Behandlung von Traumata. Ihr Ziel ist es, Menschen dabei zu helfen, abgespaltene Anteile ihrer Psyche zu reintegrieren und eine klare Identität zu entwickeln. Die Methode ist tiefgehend, fordert jedoch auch eine hohe Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit oft schmerzhaften Themen. Für Menschen, die offen für eine intensive Selbstreflexion sind und nach einem Ansatz suchen, der über symptomatische Behandlung hinausgeht, kann die IoPT eine wertvolle therapeutische Methode darstellen.


Quellen

  • Ruppert, F. (2014). Meine Seele, mein Trauma, mein Ich. Kösel-Verlag.

  • Ruppert, F. (2015). Trauma, Angst und Liebe. Kösel-Verlag.


 

Arbeitsunterlage zur Identitätsorientierten Psychotraumatheorie (IoPT) nach Franz Ruppert


Einleitung zur IoPT

Die Identitätsorientierte Psychotraumatheorie (IoPT) wurde von Franz Ruppert entwickelt, um Menschen zu helfen, traumatische Erfahrungen zu verarbeiten und eine stabile, authentische Identität zu entwickeln. Der Ansatz beruht auf der Annahme, dass durch Traumata verursachte Spaltungen der Psyche zu psychischen und physischen Problemen führen können. Ziel der IoPT ist es, diese abgespaltenen Anteile wieder zu integrieren und somit eine gesunde Identität aufzubauen.


Aus der Sicht der personzentrierten Theorie nach Carl Rogers, die den Menschen in seiner Autonomie und seinem Potenzial zur Selbstverwirklichung betrachtet, können wir die IoPT als ein Werkzeug verstehen, das den Prozess der Selbstfindung und Selbstakzeptanz unterstützt. Die personzentrierte Haltung ist dabei der zentrale Rahmen, der eine sichere und wertschätzende Begegnung ermöglicht, um tiefgreifende Veränderungen und Heilung zu initiieren.


Aufbau der Arbeitsunterlage

Die Arbeitsunterlage gliedert sich in mehrere Teile, um die Methode schrittweise zu erlernen und ein tieferes Verständnis zu entwickeln:

  1. Grundlagen der Identitätsorientierten Psychotraumatheorie (IoPT)

    • Was ist ein Trauma?

    • Formen des Traumas: Bindungstrauma, Schocktrauma und Identitätstrauma

    • Das Konzept der psychischen Spaltung

  2. Der Anliegenaufstellungsprozess

    • Anliegen formulieren

    • Stellvertreterarbeit und Selbstbegegnung

    • Integration und Nachsorge

  3. Erläuterungen aus Sicht der personzentrierten Theorie

    • Die Rolle von Empathie, Wertschätzung und Authentizität

    • Verknüpfung von Selbstaktualisierung und Traumaheilung

  4. Praktische Übungen zur Anwendung der Methode

    • Formulierung eines persönlichen Anliegens

    • Reflexion der eigenen Gefühle während einer Aufstellung

    • Anleitung zur Selbstfürsorge nach einer Sitzung


1. Grundlagen der IoPT

Was ist ein Trauma?

In der IoPT wird Trauma als eine tiefgehende Verletzung verstanden, die das Erleben und die Entwicklung der eigenen Identität beeinträchtigt. Traumata können durch verschiedene Arten von Erlebnissen entstehen, die von Vernachlässigung in der Kindheit (Bindungstrauma) über schwerwiegende Schockerlebnisse (Schocktrauma) bis hin zu andauernden Identitätskrisen reichen.

Formen des Traumas:

  • Bindungstrauma: Entsteht, wenn Kinder in frühen Entwicklungsphasen keine stabile emotionale Bindung zu ihren primären Bezugspersonen aufbauen können.

  • Schocktrauma: Resultiert aus äußeren, plötzlichen und intensiven Ereignissen wie Unfällen, Gewalt oder Naturkatastrophen.

  • Identitätstrauma: Tritt auf, wenn jemand grundlegende Aspekte seiner Identität aufgrund von Missbrauch, Manipulation oder sozialen Normen infrage stellt.

Psychische Spaltung: Um mit einem Trauma umzugehen, spaltet die Psyche Teile des Selbst ab. Diese abgespaltenen Anteile können im Unbewussten bleiben und später in Form von Symptomen wie Angst, Depression oder somatischen Beschwerden sichtbar werden.


2. Der Anliegenaufstellungsprozess

Der Anliegenaufstellungsprozess ist das zentrale Werkzeug der IoPT. Es handelt sich um einen Selbstbegegnungsprozess, in dem das Anliegen der Person in den Mittelpunkt gestellt wird. Durch die Arbeit mit Stellvertretern oder als Einzelaufstellung können innere Anteile sichtbar gemacht werden.

Anliegen formulieren: Der Prozess beginnt mit der Formulierung eines Anliegens. Das Anliegen ist ein Satz oder ein paar Worte, die ausdrücken, was die Person aktuell bewegt. Dieser Satz dient als Ausgangspunkt, um tieferliegende psychische Strukturen zu erkunden.

Stellvertreterarbeit und Selbstbegegnung: Bei einer Gruppenaufstellung übernehmen Stellvertreter die einzelnen Worte des Anliegens und stellen diese in der Gruppe dar. In einer Einzelaufstellung erfolgt dieser Prozess durch Symbole oder innere Visualisierungen. Die Stellvertreter berichten, welche Empfindungen sie haben, wodurch der Aufstellende Zugang zu den verborgenen, abgespaltenen Teilen seiner Psyche bekommt.

Integration und Nachsorge: Nach der Aufstellung erfolgt eine Reflexion und Integration der Erkenntnisse. Diese Phase ist entscheidend, um das Erlebte zu verarbeiten und die abgespaltenen Anteile zu reintegrieren. Selbstfürsorge und Begleitung sind hier besonders wichtig, um einen stabilen Prozess zu gewährleisten.


3. Erläuterungen aus Sicht der personzentrierten Theorie

Aus der personzentrierten Perspektive steht das Konzept der Selbstaktualisierung im Mittelpunkt. Carl Rogers ging davon aus, dass jeder Mensch ein natürliches Bestreben hat, sich selbst zu verwirklichen und zu wachsen. Traumata hindern den Menschen daran, dieses Potenzial zu entfalten, da sie die Identität verzerren und die emotionale Entwicklung behindern.

In der IoPT bietet die Anliegenaufstellung einen Rahmen, in dem der Prozess der Selbstaktualisierung wieder in Gang gesetzt wird. Wichtige Elemente der personzentrierten Therapie wie Empathie, bedingungslose Wertschätzung und Kongruenz spielen eine zentrale Rolle. Der Therapeut oder Aufstellungsleiter begegnet dem Klienten mit Akzeptanz und Ehrlichkeit, was einen sicheren Raum schafft, um die abgespaltenen und oft schmerzhaften Anteile zu erkunden und wiederzuintegrieren.

Die personzentrierte Haltung ermöglicht es, dass der Klient selbst der Experte seines Lebens bleibt. Der Therapeut fungiert als Begleiter und gibt keine direkten Lösungen vor. Dies entspricht auch dem Anliegen der IoPT, dass die betroffene Person durch Selbstbegegnung Zugang zu ihren eigenen Antworten und Ressourcen findet.


4. Praktische Übungen zur Anwendung der Methode

Um die Methode der IoPT praktisch anzuwenden, können folgende Übungen hilfreich sein:

1. Formulierung eines persönlichen Anliegens: Setze dich in einer ruhigen Umgebung hin und überlege dir ein aktuelles Thema, das dich beschäftigt. Versuche, dieses Anliegen in einem Satz oder wenigen Worten zusammenzufassen. Beispiele könnten sein: "Ich will verstehen, warum ich mich immer so ängstlich fühle" oder "Warum fällt es mir schwer, mich zu entscheiden?".

2. Reflexion der eigenen Gefühle während einer Aufstellung: Falls du die Möglichkeit hast, an einer Anliegenaufstellung teilzunehmen, notiere nach der Sitzung, welche Gefühle bei dir aufgetreten sind. Gab es Momente der Klarheit oder Widerstände? Was hast du dabei über dich selbst gelernt?

3. Selbstfürsorge nach einer Sitzung: Nach einer intensiven Aufstellung ist es wichtig, sich Zeit für Selbstfürsorge zu nehmen. Mögliche Übungen sind ein achtsamer Spaziergang, Tagebuchschreiben oder Meditation. Achte darauf, dass du dir selbst gegenüber freundlich und geduldig bist, um die Integration der Erfahrungen zu erleichtern.


Fazit

Die Identitätsorientierte Psychotraumatheorie (IoPT) nach Franz Ruppert bietet einen tiefgehenden Zugang, um traumatische Erfahrungen zu verstehen und die eigene Identität zu klären. Durch die Integration abgespaltener Anteile kann der Prozess der Selbstaktualisierung, wie er in der personzentrierten Theorie beschrieben wird, wieder in Gang gesetzt werden. Die Kombination aus personzentrierter Haltung und den spezifischen Techniken der IoPT schafft einen Rahmen, in dem nachhaltige Heilung und persönliches Wachstum möglich sind.

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