Mitgefühl in der Beratungsbeziehung
- Thomas Laggner
- 18. Apr.
- 2 Min. Lesezeit
Mitgefühl in der Beratungsbeziehung bedeutet mehr als eine wohlwollende Haltung – es ist eine gelebte Qualität der Beziehung, die sich durch Präsenz, Echtheit und Verbundenheit ausdrückt.
Sie zeigt sich in WIE wir zuhören, WIE wir auf Klient:innen reagieren und WIE wir mit dem Schmerz des Gegenübers in Kontakt bleiben, ohne uns zu überfluten oder zu distanzieren.

🧡 1. Empathie, Resonanz & radikale Akzeptanz
Diese drei Dimensionen gehören zu den zentralen Beziehungskompetenzen in der personzentrierten, integrativen und mitgefühlsbasierten Beratung.
🔸 Empathie
Die Fähigkeit, sich in das innere Erleben des Gegenübers einzufühlen – ohne es zu übernehmen.
Merkmale:
Perspektivübernahme mit offenem Herzen
Inneres Mitschwingen mit dem emotionalen Zustand des Klienten
Nonverbales Verständnis (Stimme, Mimik, Haltung)
Unterscheidung: Empathie ≠ Mitleid👉 Empathie hält Raum – Mitleid kippt in Überwältigung.
🔸 Resonanz
Resonanz ist gelebte Beziehung: „Ich spüre dich – und du spürst, dass ich dich spüre.“
Definition (nach Hartmut Rosa & Geller):
Nicht nur Verstehen, sondern Mitschwingen & Mitfühlen
Gegenseitige Berührbarkeit und Rückmeldung auf feinen Ebenen
Praxisbezug:
Echtes Mitfühlen – auch nonverbal – stärkt die Bindung und das emotionale Klima
Resonanz kann auch in Stille geschehen („Haltung als Antwort“)
🔸 Radikale Akzeptanz
Die Bereitschaft, alles, was im Moment ist, anzuerkennen, ohne es verändern zu wollen.
Nach Tara Brach & DBT:
Radikal = vollständig, tief, bedingungslos
Akzeptanz ≠ Zustimmung
Haltung: „Es ist, was es ist – und ich bleibe mit dir in Beziehung.“
Satzbeispiel für Beratung:
„Es ist okay, dass es sich gerade so anfühlt.“„Ich bin hier – auch wenn du es noch nicht glauben kannst.“
🧘 2. Therapeutische Präsenz (nach Geller)
✨ Definition:
Therapeutische Präsenz ist die offene, bewusste und mitfühlende Gegenwärtigkeit der Berater:in – sich selbst, dem Klienten und dem Moment gegenüber.
💠 Drei Qualitäten (Geller & Greenberg):
Körperlich: geerdet, ruhig, wach
Emotional: mitfühlend, neugierig, nicht wertend
Kognitiv: aufnahmebereit, nicht identifiziert mit „Tun müssen“
🔑 Voraussetzungen:
Selbstregulation (Atem, Körperspürbewusstsein)
Selbstmitgefühl (was in mir auftaucht, darf auch da sein)
Vertrauen in den Prozess
🧠 Reflexionsfragen für die Ausbildung oder Selbsterfahrung:
Wann fühlst du dich in einer Beratung innerlich wirklich präsent?
Woran erkennst du, dass du in Resonanz bist?
Welche inneren Zustände behindern deine Präsenz – und wie reagierst du darauf?
Welche Rolle spielt dein eigener Selbstmitgefühlshintergrund in schwierigen Gesprächssituationen?
🧩 Anwendung in der Praxis
Kurze Atemübung vor dem Gespräch: „Ein für mich – aus für dich“
Eigene Trigger achtsam wahrnehmen
Bewusst innerlich sagen: „Ich bin da – das genügt.“
Auch in Schweigen Präsenz halten (keine Angst vor Leere)