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Mitgefühl in der Beratungsbeziehung

Mitgefühl in der Beratungsbeziehung bedeutet mehr als eine wohlwollende Haltung – es ist eine gelebte Qualität der Beziehung, die sich durch Präsenz, Echtheit und Verbundenheit ausdrückt.

Sie zeigt sich in WIE wir zuhören, WIE wir auf Klient:innen reagieren und WIE wir mit dem Schmerz des Gegenübers in Kontakt bleiben, ohne uns zu überfluten oder zu distanzieren.



🧡 1. Empathie, Resonanz & radikale Akzeptanz

Diese drei Dimensionen gehören zu den zentralen Beziehungskompetenzen in der personzentrierten, integrativen und mitgefühlsbasierten Beratung.

🔸 Empathie

Die Fähigkeit, sich in das innere Erleben des Gegenübers einzufühlen – ohne es zu übernehmen.

Merkmale:

  • Perspektivübernahme mit offenem Herzen

  • Inneres Mitschwingen mit dem emotionalen Zustand des Klienten

  • Nonverbales Verständnis (Stimme, Mimik, Haltung)

Unterscheidung: Empathie ≠ Mitleid👉 Empathie hält Raum – Mitleid kippt in Überwältigung.

🔸 Resonanz

Resonanz ist gelebte Beziehung: „Ich spüre dich – und du spürst, dass ich dich spüre.“

Definition (nach Hartmut Rosa & Geller):

  • Nicht nur Verstehen, sondern Mitschwingen & Mitfühlen

  • Gegenseitige Berührbarkeit und Rückmeldung auf feinen Ebenen


Praxisbezug:

  • Echtes Mitfühlen – auch nonverbal – stärkt die Bindung und das emotionale Klima

  • Resonanz kann auch in Stille geschehen („Haltung als Antwort“)

🔸 Radikale Akzeptanz

Die Bereitschaft, alles, was im Moment ist, anzuerkennen, ohne es verändern zu wollen.

Nach Tara Brach & DBT:

  • Radikal = vollständig, tief, bedingungslos

  • Akzeptanz ≠ Zustimmung

  • Haltung: „Es ist, was es ist – und ich bleibe mit dir in Beziehung.“

Satzbeispiel für Beratung:

„Es ist okay, dass es sich gerade so anfühlt.“„Ich bin hier – auch wenn du es noch nicht glauben kannst.“

🧘 2. Therapeutische Präsenz (nach Geller)

✨ Definition:

Therapeutische Präsenz ist die offene, bewusste und mitfühlende Gegenwärtigkeit der Berater:in – sich selbst, dem Klienten und dem Moment gegenüber.

💠 Drei Qualitäten (Geller & Greenberg):

  1. Körperlich: geerdet, ruhig, wach

  2. Emotional: mitfühlend, neugierig, nicht wertend

  3. Kognitiv: aufnahmebereit, nicht identifiziert mit „Tun müssen“

🔑 Voraussetzungen:

  • Selbstregulation (Atem, Körperspürbewusstsein)

  • Selbstmitgefühl (was in mir auftaucht, darf auch da sein)

  • Vertrauen in den Prozess


🧠 Reflexionsfragen für die Ausbildung oder Selbsterfahrung:

  1. Wann fühlst du dich in einer Beratung innerlich wirklich präsent?

  2. Woran erkennst du, dass du in Resonanz bist?

  3. Welche inneren Zustände behindern deine Präsenz – und wie reagierst du darauf?

  4. Welche Rolle spielt dein eigener Selbstmitgefühlshintergrund in schwierigen Gesprächssituationen?


🧩 Anwendung in der Praxis

  • Kurze Atemübung vor dem Gespräch: „Ein für mich – aus für dich“

  • Eigene Trigger achtsam wahrnehmen

  • Bewusst innerlich sagen: „Ich bin da – das genügt.“

  • Auch in Schweigen Präsenz halten (keine Angst vor Leere)

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