🎓 Theorieinput III: Selbstmitgefühl & Scham
- Thomas Laggner
- 18. Apr.
- 2 Min. Lesezeit
🧭 Ziel der Einheit:Teilnehmer:innen verstehen die Dynamik von Scham als Beziehungsreaktion und erkennen, wie Selbstmitgefühl als Gegengewicht (Antidot) wirkt. Sie reflektieren die Wirksamkeit achtsamer Begleitung anhand des Fallbeispiels LUKE.
🟣 1. Scham als Beziehungserfahrung
„Scham ist die Angst, nicht zugehörig zu sein.“— Brené Brown
📘 Definition:
Scham ist ein sozial-emotionaler Affekt, der entsteht, wenn wir glauben, nicht richtig, nicht gut genug oder nicht liebenswert zu sein – oft in Verbindung mit dem Gefühl: „So wie ich bin, bin ich nicht in Ordnung.“
🧠 Ursprung von Scham:
entsteht früh, meist in Bindungskontexten
oft unbewusst durch emotionale Missattunement oder Ablehnung
kann durch kleinste Botschaften entstehen: „Reiß dich zusammen.“, „Sei nicht so empfindlich.“
❗ Typische Symptome von Scham:
Erstarren, Rückzug, innere Leere
Körperhaltung: gesenkter Blick, Kollaps, Vermeidung
Selbstabwertung („Ich bin falsch.“ statt: „Ich habe einen Fehler gemacht.“)
Angst vor Bloßstellung / soziale Überanpassung
🧯 Unterschied zu Schuld:
Schuld: „Ich habe etwas falsch gemacht“ → handlungsorientiert
Scham: „Ich bin falsch“ → existenziell belastend

💚 2. Warum Selbstmitgefühl ein Antidot gegen Scham ist
„Mitgefühl sagt: Auch du bist ein Mensch. Auch du darfst dich zeigen – so wie du bist.“
🎯 Wie wirkt Selbstmitgefühl?
Es unterbricht den Teufelskreis der Selbstverurteilung.
Es schafft eine innere, mitfühlende Resonanz, die häufig in früher Kindheit fehlte.
Es stellt Verbindung her, wo Scham Trennung erzeugt.
🔁 Neff's Modell als Gegenspieler zur Scham:
Scham-Modus | Selbstmitgefühls-Modus |
Ich bin falsch. | Ich bin menschlich. |
Ich ziehe mich zurück. | Ich darf mich verbinden. |
Ich verurteile mich. | Ich bin freundlich zu mir. |
🧩 3. Gruppenarbeit: Fallbeispiel LUKE – Was macht die Intervention so wirksam?
Luke: „Ich kann diesen Satz nicht sagen. Das fühlt sich falsch an.“
📚 Aufgabe für Kleingruppen (3–4 Personen):
Analysiert gemeinsam:
Was hat die Trainerin nicht getan – und warum war das hilfreich?
Was wurde stattdessen ermöglicht?
Welche Haltung liegt dieser Intervention zugrunde?
Fragen zur Diskussion:
In welcher Weise wird hier Scham entmachtet?
Wie wirkt Selbstmitgefühl, auch wenn es nicht direkt spürbar ist?
Was hätte möglicherweise überfordert?
Optional:
Wie hättest du als Berater:in in dieser Situation reagiert?
Welche Sätze oder Gesten wären für dich hilfreich?
🟩 Nach der Gruppenphase – Plenumsauswertung:
„Was macht eine Intervention wirksam, wenn Scham im Raum ist?“
Mögliche Erkenntnisse:
Keine Reparatur, sondern Präsenz
Akzeptieren, dass auch das Nicht-Können dazugehört
Körperzugänge statt kognitiver Erklärungen
Einladung zu Würde statt Zwang zur Offenheit
💬 Abschlusszitat zur Integration:
„Scham stirbt im Licht liebevoller Aufmerksamkeit.“— frei nach Carl Rogers