Psychodynamisch verstehen
- Thomas Laggner

- 5. Mai
- 13 Min. Lesezeit
als personzentrierter Berater wachsen
Warum sich ein Blick über den Tellerrand lohnt – und wie psychodynamisches Denken die eigene Haltung vertiefen kann
🌱 Personzentriert – und neugierig?
Als Berater nach dem personzentrierten Ansatz begegnet man dem Klienten mit Empathie, bedingungsloser positiver Beachtung und Echtheit. Diese Grundhaltung ist nicht nur wirksam – sie ist zutiefst menschlich. Aber vielleicht stellt sich irgendwann die
Frage: Was passiert eigentlich in den ersten Minuten einer Beratung unter der Oberfläche?
Warum spürt man manchmal Druck, Müdigkeit oder auch große Sympathie – ohne erkennbare Ursache?
Genau hier setzt das psychodynamische Verstehen an – nicht als Alternative, sondern als Erweiterung des eigenen Beratungsverständnisses.
🧠 Was bedeutet „psychodynamisch“?
Psychodynamik meint: Menschen bewegen sich innerlich – in Spannungen, Widersprüchen und unbewussten Sehnsüchten. Was gesagt wird, ist oft nicht das, was wirklich gemeint ist. Was nicht gesagt wird, sagt manchmal am meisten. Und was man selbst fühlt, kann der Schlüssel zum Verstehen sein.
In der psychodynamischen Sicht ist jede Begegnung auch Beziehungsgeschichte. Menschen bringen Erfahrungen mit – und wiederholen sie unbewusst in neuen Beziehungen. Auch in der Beratung.
🔍 Was ein personzentrierter Berater lernen kann
1. Die innere Resonanz als Kompass nutzen
Psychodynamische Arbeit zeigt: Nicht nur was der Klient sagt, zählt – sondern auch, wie es ankommt. Die eigenen Reaktionen (Unruhe, Ergriffenheit, Distanz, Schutzimpulse) sind keine Störungen, sondern oft Hinweise auf Beziehungsdynamiken.
💡 Personzentriert integriert: Man kann lernen, diese inneren Impulse empathisch zu reflektieren – nicht um zu deuten, sondern um tiefer zu verstehen.
2. Ambivalenz und Unsicherheit aushalten
In den ersten Gesprächen wechseln sich Nähe und Rückzug, Sehnsucht und Angst, Offenheit und Verschlossenheit ab. Psychodynamisches Denken hilft, solche Ambivalenzen nicht „wegzuspüren“, sondern sie zu begleiten.
💡 Personzentriert integriert: Die empathische Präsenz bleibt – wird aber ergänzt durch ein tieferes Verständnis dafür, warum jemand sich nur zögerlich öffnet.
3. Unbewusste Beziehungserwartungen erkennen
Manche Klienten bringen Erwartungen mit, die aus früheren Erfahrungen stammen – zum Beispiel: „Ich werde nicht verstanden“, „Ich muss leisten, um angenommen zu werden“. Diese zeigen sich in subtilen Mustern – auch in der Beziehung zum Berater.
💡 Personzentriert integriert: Wertschätzung bleibt das Fundament – aber mit einem Blick für das, was sich hier wiederholen will.
4. Nicht wissen – und trotzdem verstehen
Psychodynamisches Arbeiten bedeutet oft: Man weiß nicht genau, was los ist – aber man spürt etwas. Dieses tastende Verstehen ähnelt dem personzentrierten Einfühlen – wird aber ergänzt durch ein Vokabular für innere Konflikte, Schutzmechanismen und Affekte.
💡 Personzentriert integriert: Man entwickelt mehr Sprache für das Unsagbare – nicht um zu analysieren, sondern um gemeinsam zu verstehen.
📘 Inspiration aus der Lektüre
Das Buch „Psychodynamik“ von Michael Köppner zeigt auf poetische und praxisnahe Weise, wie psychodynamisches Denken funktioniert – nicht als Technik, sondern als Haltung. Es ermutigt, sich selbst als Resonanzkörper zu verstehen und dem Unklaren mit Präsenz zu begegnen.
💬 Fazit: Einfühlen bleibt – tiefer verstehen kommt dazu
Psychodynamisches Verstehen steht nicht im Widerspruch zum personzentrierten Arbeiten – es vertieft es. Es lädt dazu ein, sich selbst in der Beziehung noch genauer wahrzunehmen, die Dynamik zwischen Berater und Klient bewusster zu reflektieren und dabei noch feinfühliger zu begleiten.
Man muss dafür nicht „analytisch“ werden – aber man darf neugierig sein. Auf das, was mitschwingt. Und was sich hinter dem ersten Eindruck verbirgt.
🔍 1. Resonanz spüren – der Körper als Antenne
Was heißt das?
Resonanz ist das, was in dir mitschwingt, wenn du mit einem Klienten in Kontakt bist – ohne dass er es explizit sagt.
Wie erkenne ich sie?
Achte auf körperliche Veränderungen in dir: Wird dein Atem flacher? Spürst du Druck im Brustkorb, Spannung im Nacken?
Nimm deine Gefühle ernst: Fühlst du dich müde, eilig, gereizt oder besonders beschützend?
Beobachte Wechsel in deinem Erleben, sobald der Klient spricht oder schweigt.
Beispiel:
Ein Klient wirkt freundlich, du spürst aber innere Unruhe oder Druck – vielleicht trägt er Spannung, die er nicht artikuliert. Deine Resonanz ist eine Spur zum Unausgesprochenen.
🔄 2. Beziehungsmuster erkennen – Wiederholungen als Hinweis
Was heißt das?
Viele Klienten bringen Beziehungserwartungen mit, die aus früheren Bindungserfahrungen stammen – und sie zeigen sich subtil in der Beratung.
Wie erkenne ich sie?
Wiederholt sich ein Gefühl, z. B. dass du dich überforderst fühlst, kontrolliert, nicht gesehen?
Gibt es unausgesprochene Erwartungen, z. B. „Du musst mir helfen, sonst bin ich enttäuscht“?
Äußert der Klient Sätze wie „Das sagen alle“ oder „Sie glauben mir bestimmt nicht“ – obwohl du das Gegenteil tust?
Was hilft?
Fragen nach Innen: Was löst dieser Mensch in mir aus – und ist das typisch oder ungewöhnlich?
Wertfrei beobachten: Was wiederholt sich im Verhalten, in der Beziehungsgestaltung, in der Reaktion auf Feedback?
🧠 3. Unbewusste Muster sichtbar machen – behutsam und empathisch
Was heißt das?
Unbewusste Muster äußern sich nicht in Worten, sondern im Verhalten, in der Art des Kontakts, in Pausen, in der Stimme.
Wie gehst du damit um?
Nicht deuten, sondern beschreiben, was du spürst:„Ich merke, dass ich mich gerade unsicher fühle – geht es Ihnen auch so?“„Irgendetwas fühlt sich im Moment angespannt an – wollen wir einen Moment hinschauen?“
Bleib beim Erleben – nicht bei der Erklärung.
Übung zur Selbsterfahrung:
Stell dir einen Klienten vor, der oft betont: „Ich will nicht zur Last fallen.“
Spür in dich hinein: Wie reagierst du darauf? Was willst du tun? Vielleicht übernimmst du Verantwortung – unbewusst wiederholt sich hier ein Beziehungsmuster.
🎯 Fazit: Resonanz ist nicht Interpretation – sondern Wahrnehmung
🛠 Was du brauchst
Mut zum Nichtwissen
Bereitschaft zur Selbstbeobachtung
Sprache, die empathisch und vorsichtig benennt, was mitschwingt
Vertrauen darauf, dass Beziehung immer eine Spur legt
🎨 Flipchart-Modell: Resonanz – Beziehung – unbewusstes Muster
Titelvorschlag für das Flipchart:
„Was schwingt hier mit?“(Resonanz und Beziehungsmuster erkennen)
🧩 1. DREI-KREISE-MODELL (Visualisierung)
Zeichne drei überlappende Kreise (wie eine Venn-Diagramm):

Beschriftung:
Kreis 1: Resonanz (ICH)Was fühle ich? Was passiert in meinem Körper? Was möchte ich tun oder vermeiden?
Kreis 2: Beziehungsmuster (WIR)Was wiederholt sich? Welche unausgesprochenen Erwartungen sind im Raum?
Kreis 3: Verhalten des Klienten (DU)Wie spricht er? Was wird nicht gesagt? Welche Haltung oder Strategie erkenne ich?
In der Schnittmenge steht groß:
„Unbewusstes Beziehungsangebot“
✏️ Ergänzungen am Rand:
Links:
🧠 „Nicht interpretieren – spüren, beschreiben, fragen“
Rechts:
💬 „Was sagt mein Körper? Meine Stimmung? Mein Impuls?“
📌 Möglicher Merksatz unter dem Modell:
„Was in mir schwingt, kann ein Echo auf das sein, was im anderen verborgen ist.“
💡 Optional: Ampel-Metapher für Dynamiken
Am unteren Rand kannst du eine einfache Ampel-Symbolik ergänzen:
🔴 Rot – „Ich verliere die Verbindung zu mir“ → Pause, Selbstwahrnehmung
🟡 Gelb – „Ich spüre Spannungen oder Widersprüche“ → Hinspüren, benennen
🟢 Grün – „Ich bin präsent, offen und klar“ → In Beziehung gehen, Raum geben
Hier ist eine fundierte Übersicht über Übertragung und Gegenübertragung im psychodynamischen Sinn – und wie sich diese Konzepte vom personzentrierten Ansatz unterscheiden:
🧠 Was bedeutet Übertragung in der Psychodynamik?
Übertragung ist das unbewusste Wiedererleben früherer Beziehungserfahrungen in der gegenwärtigen therapeutischen Beziehung. Der Patient erlebt den Therapeuten nicht nur als aktuelle Person, sondern projiziert alte Gefühle, Erwartungen und Muster – oft aus der Kindheit – auf ihn.
„Der Patient kann Gefühle dem Therapeuten gegenüber ausmachen, die ursprünglich in die Eltern-Beziehung gehören […] Gefühle, die er so nicht nur ihm gegenüber empfindet, sondern schon immer empfunden hat“Psychodynamik 1-7.
Es handelt sich um ein intersubjektives Geschehen: Der Patient erlebt den Therapeuten z. B. als ablehnend, kontrollierend oder überfürsorglich – obwohl dieser sich neutral verhält. In der negativen Übertragung können z. B. starke Widerstände oder Misstrauen auftauchenPsychodynamik 1-7.
🪞 Was bedeutet Gegenübertragung?
Gegenübertragung meint die emotionalen, bewussten und unbewussten Reaktionen des Therapeuten auf den Patienten – insbesondere auf dessen Übertragungsangebote. Früher als störend empfunden, wird sie heute als wichtiges diagnostisches Instrument geschätzt.
„Die Gegenübertragung [ist] das herausragende analytische Hilfsmittel, wenn es darum geht, die Botschaften des Patienten zu entschlüsseln“Psychodynamik 1-7.
Man unterscheidet:
Komplementäre Gegenübertragung: Der Therapeut fühlt sich wie ein früheres Beziehungspendant des Patienten.
Konkordante Gegenübertragung: Der Therapeut erlebt einen ähnlichen inneren Zustand wie der Patient selbstPsychodynamik 1-7.
🔄 Die Dynamik beider Konzepte
Psychodynamische Therapie arbeitet bewusst mit dieser zirkulären Dynamik:
„Die Übertragungs-Gegenübertragungs-Dynamik ist ein zirkulärer Prozess, in dem beide Beteiligten bewusst und unbewusst beständig aufeinander reagieren“
Der Therapeut muss seine eigene innere Reaktion reflektieren und mit Abstinenz handeln, d. h. er verzichtet auf spontane Reaktionen und nutzt die Resonanz für VerstehenPsychodynamik 1-7.
🤝 Vergleich zum personzentrierten Ansatz
Wichtig: Auch im personzentrierten Ansatz treten Übertragungsphänomene auf – etwa, wenn ein Klient den Berater idealisiert oder abwertet. Doch Rogers betont Kongruenz und Echtheit über Analyse: Das Beziehungserleben wirdwichtig – aber nicht „gedeutet“, sondern mit empathischer Präsenz begleitet.
💬 Fazit
Für personzentrierte Berater kann die psychodynamische Theorie von Übertragung und Gegenübertragung ein wertvoller Resonanzverstärker sein:
Man erkennt, dass das eigene Erleben mehr als persönliches Gefühl sein kann – sondern ein Echo auf die Geschichte des Klienten.
Man kann Ambivalenzen besser einordnen, ohne die eigene Haltung zu verlieren.
Man erweitert sein Verstehen um eine Tiefendimension, ohne interpretativ einzugreifen.
🧠 Abwehrmechanismen – psychodynamisch & personzentriert erklärt
1️⃣ Was sind Abwehrmechanismen?
🔹 Psychodynamische Sicht:
Abwehrmechanismen sind unbewusste psychische Prozesse, die das Ich nutzt, um Angst, Schuldgefühle oder innere Konflikte abzuschwächen oder zu vermeiden. Sie schützen vor überwältigenden Affekten – aber sie verzerren gleichzeitig die Realität.
Ziel: inneres Gleichgewicht bewahren – auch auf Kosten von Wahrnehmung, Beziehung und Entwicklung.
🔹 Personzentrierte Sicht:
Der personzentrierte Ansatz spricht nicht explizit von „Abwehrmechanismen“, sondern von „Verzerrung“ oder „Verleugnung“ von Erfahrung. Diese entstehen, wenn Erfahrungen nicht mit dem Selbstkonzept vereinbar sind und nicht symbolisiert (d. h. nicht bewusst integriert) werden können.
Ziel: Selbstkonsistenz bewahren – der Organismus schützt sich vor Inkongruenz.
2️⃣ Beispiele & Gemeinsamkeiten
3️⃣ Zentrale Unterschiede
4️⃣ Integration beider Sichtweisen – was kann man lernen?
Als personzentrierter Berater kann man durch die psychodynamische Sicht:
die Vielfalt der Abwehrformen bewusster erkennen
die Funktion von „Widerstand“ wertschätzen, ohne ihn zu pathologisieren
die eigene Resonanz als Hinweis auf abgewehrte Inhalte nutzen (z. B. plötzliche Müdigkeit als Fluchtimpuls)
tiefer zuhören, wenn Klienten „ablenken“, „sachlich bleiben“ oder schnell „Lösungen präsentieren“
Beispiel: Ein Klient spricht über seine Scheidung ohne Gefühl, betont Fakten, wirkt aber innerlich taub.Personzentriert: „Ich spüre gerade wenig Nähe zu deinen Gefühlen – darf ich fragen, was du in dir wahrnimmst?“Psychodynamisch: Es könnte sich um Affektisolierung oder Verleugnung handeln – was in der Beziehung erlebbar wird.
🧾 Fazit
Abwehrmechanismen schützen das Selbst – in beiden Ansätzen.Die psychodynamische Theorie gibt dir Sprache und Struktur, um diese Schutzfunktionen zu verstehen. Der personzentrierte Ansatz erinnert daran, die Begegnung und das Vertrauen in den Prozess niemals zu verlassen.
Sie widersprechen sich nicht – sie ergänzen sich.
⚖️ Konfliktdynamik (psychodynamisch) vs. Inkongruenz (personzentriert)
🧠 1. Was ist eine Konfliktdynamik?
(Psychodynamische Perspektive)
Eine Konfliktdynamik entsteht, wenn widersprüchliche innere Kräfte gegeneinander wirken – meist unbewusst.
Beispiel: Ein Mensch will Nähe (Bindungsbedürfnis), hat aber Angst vor Kontrolle (Autonomiebedürfnis).
Die Folge: ambivalentes Verhalten, Rückzug, Erschöpfung, psychosomatische Symptome.
Diese Dynamik spielt sich meist unterhalb des Bewusstseins ab – oft in der Beziehung zu anderen (z. B. zur Therapeutin) wiederholbar.
🔍 Arten von inneren Konflikten (nach OPD):
Autonomie vs. Abhängigkeit
Selbstwertkonflikt
Versorgung vs. Selbstgenügsamkeit
Unterwerfung vs. Kontrolle
Ziel der psychodynamischen Therapie: den Konflikt bewusst erlebbar machen, seine Wurzeln verstehen, Ambivalenz aushalten und neue Lösungen zulassen.
💡 2. Was ist Inkongruenz?
(Personzentrierte Perspektive)
Inkongruenz ist der Zustand, in dem das aktuelle Erleben nicht mit dem Selbstkonzept übereinstimmt.
Beispiel: Ein Mensch erlebt Angst, glaubt aber, stark sein zu müssen – also „darf“ er die Angst nicht wahrnehmen oder zeigen.
Die Folge: innere Spannung, Entfremdung vom eigenen Erleben, Leere, Orientierungslosigkeit.
Die nicht-symbolisierte Erfahrung bleibt unterhalb der bewussten Wahrnehmung – führt aber zu Stress, Kontrollversuchen oder Selbstabwertung.
Ziel der personzentrierten Beratung: Wahrnehmung, Ausdruck und Integration ermöglichen – durch bedingungslose positive Beachtung und empathisches Verstehen.
🧾 3. Vergleich – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
🎯 4. Integration: Was kann man voneinander lernen?
Psychodynamisch geschulte Berater lernen von Rogers, nicht zu früh zu deuten, sondern zuerst empathisch zu begleiten.
Personzentrierte Berater profitieren von der Konfliktdiagnostik, um feiner zu spüren: Welche Spannung lebt im Klienten – und woher kommt sie?
Beide Ansätze erkennen: Der Mensch schützt sich durch Verdrängung, Verzerrung oder Rückzug – und braucht Beziehung, um sich zu öffnen.
💬 Fazit
Konfliktdynamik beschreibt das Was – Inkongruenz beschreibt das Wie.Beide führen zu innerem Stress – beide brauchen Beziehung, um gelöst zu werden.
OPD steht für Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik.Es handelt sich um ein diagnostisches System, das psychodynamische Konzepte strukturiert, systematisch und interdisziplinär anwendbar macht – insbesondere in Psychotherapie, Beratung, Klinik und Forschung.
🧠 Ziel von OPD
Die OPD soll helfen, psychodynamische Zusammenhänge verständlich, beobachtbar und beschreibbar zu machen – also:
Was leidet ein Mensch innerlich?
Warum gerade jetzt?
Wie funktioniert seine Beziehungsgestaltung und sein Selbstbild?
➤ Sie ergänzt die ICD-/DSM-Diagnosen um ein tieferes Verstehensmodell.
🧩 Die 5 Achsen der OPD (Version OPD-2)
🎯 Wofür wird OPD genutzt?
Psychotherapeutische Fallformulierung
Supervision und Ausbildung
Psychodynamisch fundierte Diagnostik in Kliniken
Forschung zur Wirksamkeit psychodynamischer Verfahren
🔍 Beispielhafte Konfliktdynamiken (Achse II)
Autonomie vs. Abhängigkeit
Selbstwertkonflikt
Versorgung vs. Selbstgenügsamkeit
Unterwerfung vs. Kontrolle
Schuldkonflikt
Ödipaler Konflikt
Diese Konflikte sind unbewusst wirksam und prägen Beziehungsgestaltung, Symptome und Selbstbild.
📚 OPD ist nicht...
kein Testverfahren
keine Schnellschablone
keine Krankheitslehre...sondern ein differenziertes Denk- und Gesprächsmodell.
🧠 Strukturmodell vs. Selbstkonzept – ein systematischer Vergleich
🧩 1. Psychodynamisches Strukturmodell (z. B. in OPD-3, psychoanalytischer Tradition)
👉 Ziel:
Erfassung der Ich-Funktionen: Wie gut ist jemand in der Lage, sich selbst zu steuern, Beziehungen zu gestalten, Affekte zu regulieren?
🧱 Kernbereiche:
Je nach Ausprägung spricht man von guter, mäßiger oder geringer Struktur.Ziel der Therapie: Stärkung und Nachreifung dieser Fähigkeiten.
🌱 2. Personzentriertes Selbstkonzept-Modell
(Carl Rogers)
👉 Ziel:
Verstehen, wie das Selbstbild eines Menschen sich entwickelt und schützt – und wo es in Konflikt mit dem organismischen Erleben gerät (→ Inkongruenz).
🧱 Zentrale Begriffe:
Ziel der Therapie: Selbstakzeptanz fördern, sodass mehr Erleben ins Selbstkonzept integriert werden kann.
🔍 Vergleichstabelle
💬 Fazit
Das Strukturmodell und der personzentrierte Ansatz sprechen unterschiedliche Sprachen, doch sie meinen oft ähnliche psychische Phänomene:
Strukturstörung ≈ tiefe Inkongruenz + fehlende symbolische Repräsentanz
Reifung der Struktur ≈ zunehmende Kongruenz, Selbstmitgefühl und differenzierter Ausdruck
👉 Personzentriert gefragt: Wie zeigt sich schwache Struktur im Kontakt?
Wie halte ich Beziehung, ohne zu überfordern?
👉 Psychodynamisch gefragt: Wie erkenne ich strukturelle Defizite – und wie unterstütze ich ihre Nachreifung?
💡 Affekt- und Beziehungstheorie im Überblick
🧠 1. Was ist die Affekttheorie?
🔹 Psychodynamische Sicht (z. B. nach Mertens, Bucci, Schore, Fonagy)
Affekte (Gefühle) sind primäre Regulationssysteme – sie zeigen, wie bedeutsam etwas ist und dienen der Orientierung in der Welt.Sie sind:
biologisch grundgelegt
sozial vermittelt
häufig unbewusst organisiert→ besonders in frühen Bindungserfahrungen
Affekte sind Träger von Beziehungserfahrung – verdrängte Affekte = verdrängte Beziehung.
🔹 Zentrale Annahmen:
Affekte entstehen in Beziehung und prägen Beziehungsdynamiken.
Frühe Affekterfahrungen werden internalisiert (z. B. durch „mentalisierende“ Bezugspersonen).
Wenn Affekte nicht verstanden, gespiegelt oder integriert werden, entstehen Abwehr, Symptome oder Beziehungsstörungen.
❤️ 2. Beziehungstheorie: Wie wirken Beziehungen innerpsychisch?
🔹 Zentrale Idee:
Beziehungen sind psychisch repräsentiert – d. h., Menschen tragen innere „Modelle“ von sich selbst und anderen in sich („Ich bin hilflos – andere sind abweisend“).
Diese Beziehungserfahrungen sind oft nicht bewusst erinnerbar, aber sie wirken:
in der Gegenwart (z. B. Übertragung in Therapie)
im Körper (z. B. Spannung, Rückzug, Hyperaktivität)
im Selbstwertgefühl und Bindungsverhalten
🔹 Moderne Konzepte:
Objektbeziehungstheorie (Kernberg, Winnicott, Fairbairn): Beziehungserfahrungen formen unser inneres Erleben.
Bindungstheorie (Bowlby, Ainsworth): Frühe Bindungssicherheit oder -unsicherheit prägt Affekt- und Beziehungsmuster.
Mentalisierung (Fonagy): Die Fähigkeit, eigene und fremde Affekte innerlich darzustellen („ich habe ein Gefühl – es gehört zu mir“).
🌱 3. Vergleich: Affekt- und Beziehungstheorie in beiden Ansätzen
🧰 4. Praktische Anwendung: Was du tun kannst
In der Praxis (egal ob psychodynamisch oder personzentriert):
Affekte wahrnehmen: Was fühle ich im Kontakt? Was könnte beim Gegenüber wirken?
Affekte benennen helfen: „Es klingt, als wäre da etwas sehr Aufwühlendes…“
Beziehung reflektieren: Wie reagiert der Klient auf Nähe, auf Pausen, auf Schweigen?
Gefühle verkörpern lassen: „Wie spürst du das im Körper?“
Verbindung herstellen: „Kennst du dieses Gefühl aus anderen Situationen oder Beziehungen?“
🧾 Fazit
Die Affekt- und Beziehungstheorie verbindet beides:Was wir fühlen, und wie wir lieben – oder nicht lieben können.
In der Tiefe zeigt sich: Jede Störung ist auch eine Beziehungsstörung zu sich selbst und zu anderen – und jede Heilung geschieht in Beziehung, über das Gefühl.



