top of page

🧭 Was ist eine personzentrierte Selbsterfahrungsgruppe?

Eine Selbsterfahrungsgruppe ist ein professionell geleiteter, geschützter Raum für 5–15 Menschen, in dem Offenheit, Empathie und persönliche Entwicklung im Zentrum stehen. Ziel ist es, unter Begleitung eines Facilitators(Gruppenleiters) eine authentische Begegnung mit sich selbst und anderen zu ermöglichen.

Diese Form der Gruppenarbeit hat ihre Wurzeln in der personzentrierten Psychotherapie nach Carl Rogers und ist ein fester Bestandteil in der Ausbildung für Lebens- und Sozialberater:innen sowie in psychotherapeutischen Curricula.


🎯 Ziele und Wirkungen

In einer personzentrierten Selbsterfahrungsgruppe…


  • …erleben Teilnehmer:innen bedingungslose positive Wertschätzung, Empathie und Echtheit.

  • …werden eigene Inkongruenzen (innere Widersprüche) erkannt, durchlebt und bearbeitet.

  • …werden zentrale Fähigkeiten für eine helfende Beziehung entwickelt: Selbstannahme, Authentizität, Selbstempathie und die Fähigkeit zur Reflexion eigener wie fremder Erfahrungen.

  • …wird der Prozess einer selbstverträglichen Veränderung erfahrbar – häufig verbunden mit „body shifts“ (Gendlin).


👥 Wer kann teilnehmen?

Geeignet sind u. a.:

  • Menschen, die ihre Persönlichkeit weiterentwickeln wollen.

  • Personen mit belastenden Lebensthemen, die Austausch in einem sicheren Rahmen suchen.

  • Ausbildungskandidat:innen in psychosozialen Berufen.

  • Patient:innen mit psychischem Leidensdruck, sofern geeignet und motiviert.


🌀 Der Gruppenprozess in Etappen

1. Vorbereitungsphase

  • Entscheidung über Zielgruppe, Gruppendauer, Setting.

  • Klärung der Motivation der Teilnehmenden.

2. Erste Sitzung

  • Vorstellung, Erwartungen, erste Selbsterkundung.

  • Einsatz von Erwartungs- und Sitzungsbögen.

3. Fortlaufende Sitzungen

  • Offener, erfahrungsorientierter Gruppenverlauf (free encounter).

  • Fokus auf innere Prozesse, Gefühle, Beziehungserfahrungen.

  • Keine fixen Inhalte, kein direkter Input – stattdessen: Raum für authentischen Ausdruck.

4. Schwierige Situationen

  • Umgang mit Blockaden, Schweigen, Widerstand.

  • Krisenintervention bei Überforderung.

  • Orientierung an Vertrauen und Selbststeuerung statt Zwang zur Bearbeitung.

5. Abschluss

  • Reflexion der Erfahrungen.

  • Persönlicher Abschied und Vergleich mit ursprünglichen Erwartungen.


🧠 Methoden und Interventionen

  • Focusing (nach Gendlin): achtsame, körperbasierte Selbstwahrnehmung.

  • Inkongruenzbearbeitung (nach Speyrer):

    • Selbstinkongruenz erkennen, verbalisieren, verstehen.

    • Ressourcen aktivieren, selbstkongruente Lösungen finden.

  • Prozessbegleitung durch Facilitator:

    • Unterstützend, nicht-direktiv, präsent als „Person unter Personen“.


❗ Was zu vermeiden ist (nach Rogers)

  • Druck, Bewertung oder Manipulation.

  • Interpretationen über andere.

  • Übungen ohne Einwilligung.

  • Eigene Inkongruenzen unausgesprochen lassen.


🔁 Transfer und Nutzen

Die in der Gruppe gemachten Erfahrungen wirken langfristig – sowohl persönlich als auch beruflich. Sie stärken die Fähigkeit zur Selbstempathie, fördern Beziehungsfähigkeit und sind eine zentrale Ressource in beratenden, helfenden und sozialen Berufen.


📚 Literatur (Auswahl)

  • Carl Rogers: On Becoming a Person

  • Eugene Gendlin: Focusing

  • Schmid, Keil & Stumm: Die vielen Gesichter der personzentrierten Psychotherapie

  • Speyrer: Das Differentielle Inkongruenzmodell

bottom of page