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AutorenbildThomas Laggner

Psychotraumatologin: Trauma geht uns alle an!

Dr. Margarete "Maggie" Schauer ist eine herausragende Persönlichkeit in der klinischen Psychologie und Psychotraumatologie. Ihr Wirken hat die therapeutische Behandlung von Traumafolgestörungen revolutioniert. Nach ihrer Promotion 1998 an der Universität Konstanz etablierte sie sich durch ihre Habilitation und eine Reihe wissenschaftlicher Beiträge als führende Expertin auf diesem Gebiet.


Maggie Schauer ist klinische Psychologin und spezialisiert im Bereich von Traumafolgestörungen. Sie ist als Privatdozentin und Forscherin an der Universität Konstanz tätig. Zusammen mit Thomas Elbert und Frank Neuner hat sie die Narrative Expositionstherapie (NET) zur Behandlung von Traumafolgestörungen entwickelt. In verschiedenen Forschungsprojekten zu multipler und komplexer Traumatisierung sowie zu transgenerationalen Folgen von Gewalt und Vernachlässigung ist sie mitbeteiligt.

Maggie Schauer arbeitet in Therapie- und Hilfsprojekten in Kriegs- und Krisengebieten. So ist sie tätig in Flüchtlingslagern nach humanitären- und Naturkatastrophen, in Demobilisierungsprojekten für Kindersoldaten und in Herkunftsländern mit Überlebenden von Folter und Menschenrechtsverletzungen (u.a. Überlebende des Kosovokrieges, Sudanvertriebene in Uganda, Kindersoldaten in Kongo und Kolumbien, Drogenabhängige Exkombattanten in Somalia, politische Gefangene in Rumänien und Türkei, Waisenkinder in Tanzania, Tsunami- und Kriegsüberlebende in Sri Lanka) sowie in Deutschland mit Asylbewerbern. Sie ist Gründungsmitglied von vivo international (www.vivo.org), einer NGO zur Prävention und Behandlung von traumatischem Stress, und Mitglied im Vorstand des Babyforums, einem Netzwerk von Fachkräften zur Betreuung von Schwangeren, Vorsorge bei Kindswohlgefährdung und für «Frühe Hilfen».

Entwicklung der Narrativen Expositionstherapie (NET)

Gemeinsam mit Frank Neuner und Thomas Elbert entwickelte Dr. Schauer die Narrative Expositionstherapie (NET). Diese evidenzbasierte Methode wird weltweit zur Behandlung von Menschen mit multipler und komplexer Traumatisierung eingesetzt, insbesondere bei Überlebenden von Krieg, Folter und anderen extrem belastenden Erfahrungen. Die Methode konzentriert sich auf das strukturierte Erzählen der Lebensgeschichte, wobei die Patient:innen unterstützt werden, ihre traumatischen Erlebnisse in einen narrativen Kontext einzuordnen. Dies ermöglicht nicht nur eine Verarbeitung des Traumas, sondern auch die Stabilisierung der eigenen Identität.


Arbeit in Krisengebieten und Leitung von Initiativen

Als Leiterin des Kompetenzzentrums Psychotraumatologie an der Universität Konstanz und Mitbegründerin der NGO vivo international hat sie unzähligen traumatisierten Menschen geholfen. Ihre humanitäre Arbeit führt sie regelmäßig in Kriegs- und Krisengebiete, wo sie sich für Menschen einsetzt, die Opfer von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen wurden.


Publikationen und Auszeichnungen

Ihr Buch "Die einfachste Psychotherapie der Welt", erschienen im August 2024, macht die Narrative Expositionstherapie für ein breiteres Publikum zugänglich. Es zeigt anschaulich, wie dieser therapeutische Ansatz dazu beitragen kann, den Kreislauf von Trauma und Gewalt zu durchbrechen. Für ihre Verdienste wurde Dr. Schauer mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem August-Forel-Preis, der Jaap-Chrisstoffels-Gastprofessur und dem Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis (2016).


Engagement in Lehre und Weiterbildung

Dr. Schauer ist nicht nur in der praktischen Psychotraumatologie tätig, sondern auch in der Ausbildung und Weiterbildung von Fachkräften. Als Privatdozentin an der Universität Konstanz teilt sie ihre umfangreichen Kenntnisse mit der nächsten Generation von Psycholog:innen und Therapeut:innen.


Schlüsselbeiträge von Dr. Schauer

  1. Therapeutische Innovation: Die NET hat sich als eine der wirksamsten Methoden zur Behandlung von Traumata etabliert.

  2. Globales Engagement: Ihr Einsatz in Krisengebieten unterstreicht ihre praktische und humanitäre Arbeit.

  3. Bildung und Training: Ihre Rolle als Dozentin und Ausbilderin zeigt ihr Engagement für die nachhaltige Entwicklung des Fachgebiets.

 

 

Die Narrative Expositionstherapie (NET) ist eine evidenzbasierte psychotherapeutische Methode zur Behandlung von Traumafolgestörungen, insbesondere bei Menschen, die multiple oder komplexe Traumatisierungen erlebt haben, wie beispielsweise Überlebende von Krieg, Folter oder anderen extremen Belastungssituationen. Entwickelt wurde sie von Maggie Schauer, Frank Neuner und Thomas Elbert. Die Methode wird häufig in humanitären Krisenregionen eingesetzt und hat sich als wirksames Mittel zur Bewältigung traumatischer Erlebnisse etabliert.


Grundlagen der NET

Die NET basiert auf dem Ansatz, dass das Verarbeiten und strukturierte Erzählen der eigenen Lebensgeschichte hilft, traumatische Erfahrungen zu integrieren und die Auswirkungen von Trauma zu reduzieren. Ziel ist es, die fragmentierte und oft lückenhafte Erinnerung an belastende Ereignisse zu reorganisieren und in eine kohärente Lebensgeschichte zu integrieren. Dadurch sollen die schädlichen Auswirkungen des Traumas auf die Psyche reduziert werden, was den Patient:innen eine Stabilisierung und eine Wiedergewinnung ihrer Identität ermöglicht.


Vorgehensweise

Die Therapie erfolgt in einer festen Struktur:

  1. Erzählen der gesamten Lebensgeschichte: Der/die Patient:in wird gebeten, in chronologischer Reihenfolge alle wichtigen Lebensereignisse zu erzählen. Dies umfasst positive Erlebnisse ebenso wie traumatische Ereignisse. Durch das Erzählen wird das Erinnerte "exponiert", also in die Gegenwart gebracht, damit es verarbeitet werden kann.

  2. Konfrontation mit traumatischen Ereignissen: Die traumatischen Erlebnisse werden detailliert und wiederholt erzählt, während der/die Therapeut:in den emotionalen und körperlichen Reaktionen Aufmerksamkeit schenkt. Ziel ist es, die oft intensiven negativen Reaktionen auf die Erinnerung durch die erneute Verarbeitung zu reduzieren.

  3. Kognitive und emotionale Integration: Durch das Erzählen und die Konfrontation mit dem Trauma können negative Emotionen und verzerrte Überzeugungen in Bezug auf das Erlebte bearbeitet werden. Dadurch kann ein besseres Verständnis für die eigenen Reaktionen und Erlebnisse entwickelt werden.


Anwendung

NET wird vor allem bei Menschen mit komplexen Traumafolgestörungen eingesetzt, die wiederholten und langanhaltenden traumatischen Belastungen ausgesetzt waren. Dazu gehören:

  • Flüchtlinge und Migranten, die Krieg oder Verfolgung erlebt haben.

  • Opfer von Folter und Gewalt.

  • Kinder und Jugendliche, die über längere Zeiträume hinweg Gewalt oder Missbrauch erfahren haben.


Besonderheiten der NET

  • Evidenzbasiert: Die Wirksamkeit der NET wurde in zahlreichen Studien belegt, insbesondere bei der Behandlung von Menschen in Krisen- und Kriegsgebieten.

  • Erinnerungsstrukturierung: Anders als andere Therapieformen konzentriert sich die NET nicht nur auf die Traumata selbst, sondern legt besonderen Wert darauf, diese in den gesamten Lebenskontext einzubetten.

  • Humanitärer Ansatz: Die NET wird häufig in Zusammenarbeit mit internationalen Hilfsorganisationen eingesetzt, um Überlebenden von Katastrophen und Konflikten eine therapeutische Versorgung zu ermöglichen.


Vorteile der NET

  • Erhöhung der Kohärenz der Lebensgeschichte: Das strukturierte Erzählen hilft Patient:innen, eine kohärente Erzählung ihres Lebens zu entwickeln, was oft zu einer Reduktion von posttraumatischen Symptomen führt.

  • Reduktion von Vermeidung: Indem die traumatischen Erinnerungen wiederholt und kontrolliert aufgerufen werden, reduziert sich die Tendenz zur Vermeidung, was für den Heilungsprozess essenziell ist.

  • Skalierbar und anpassungsfähig: Die Methode lässt sich relativ leicht in verschiedenen kulturellen Kontexten anpassen und wird weltweit eingesetzt.


Kritik und Herausforderungen

Während die NET in vielen Kontexten sehr erfolgreich ist, gibt es auch Herausforderungen und Kritikpunkte:

  • Emotional belastend: Für einige Patient:innen kann die Konfrontation mit traumatischen Erinnerungen sehr belastend sein, und die Therapie erfordert daher ein hohes Maß an Vertrauensbildung zwischen Therapeut:in und Patient:in.

  • Kontextabhängigkeit: Die Anwendung der NET erfordert eine sorgfältige Anpassung an den kulturellen Kontext der Patient:innen, was die Wirksamkeit beeinflussen kann.


Fazit

Die Narrative Expositionstherapie ist eine effektive Methode, um die Auswirkungen schwerwiegender Traumata zu lindern. Sie kombiniert Elemente der Exposition mit der systematischen Aufarbeitung der gesamten Lebensgeschichte und hat sich als besonders wertvoll in der Behandlung von komplexen Traumafolgestörungen erwiesen. Durch den Fokus auf das Erzählen der Lebensgeschichte hilft die NET nicht nur bei der Traumaverarbeitung, sondern auch dabei, das eigene Leben wieder als kohärent und wertvoll wahrzunehmen.

 
 

DeGPT – Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie


Die Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT) ist eine wissenschaftliche Fachgesellschaft, die als Forum für Ärzt:innen, Psycholog:innen, Psychotherapeut:innen und Vertreter:innen anderer Berufsgruppen dient. Diese Fachleute arbeiten im psychotherapeutischen, medizinischen, pädagogischen und beratenden Kontext mit Menschen, die unter Traumafolgestörungen leiden.

DeGPT


Aufgaben und Ziele der DeGPT:

  • Forschung und Entwicklung: Die DeGPT engagiert sich in der Forschung im Bereich der Psychotraumatologie und erarbeitet Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie von Traumafolgestörungen.

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  • Weiterbildung: Sie definiert Standards für die Weiterbildung von Psychotherapeut:innen und anderen Fachkräften, um die Qualität in der Versorgung von Menschen mit Traumafolgestörungen zu sichern.

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  • Kooperation: Die Gesellschaft kooperiert mit nationalen und internationalen Fachgesellschaften und fördert den wissenschaftlichen Nachwuchs.

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Angebote für Betroffene:

  • Therapeut:innen-Suche: Betroffene können über die DeGPT-Website nach qualifizierten Therapeut:innen suchen, die das Zertifikat "Spezielle Psychotraumatherapie DeGPT" erworben haben.

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  • Informationsmaterial: Es werden umfassende Informationen zu Traumafolgestörungen, deren Symptomen und Behandlungsmöglichkeiten bereitgestellt.

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Weiterbildung und Curricula:

Die DeGPT bietet Curricula für verschiedene Spezialisierungen an, darunter:

  • Spezielle Psychotraumatherapie (DeGPT): Ein Curriculum, das anerkannte Behandlungsverfahren lehrt und regelmäßig nach dem aktuellen Stand der Forschung aktualisiert wird.

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  • Traumapädagogik und Traumazentrierte Fachberatung (DeGPT/FVTP): Ein gemeinsames Curriculum mit dem Fachverband Traumapädagogik, das Qualitätsstandards in der psychosozialen Versorgung traumatisierter Menschen etabliert.

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Aktuelles:

  • Jahrestagung 2025: Die nächste Jahrestagung der DeGPT findet vom 13. bis 15. März 2025 in Hamburg statt.

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Die DeGPT setzt sich kontinuierlich für die Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Traumafolgestörungen ein und bietet sowohl Fachleuten als auch Betroffenen wertvolle Ressourcen und Unterstützung.


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