💠 Empathie und personale Resonanz
- Thomas Laggner
- 20. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Die heilsame Tiefe einer echten Begegnung
von Thomas Laggner, Psychotherapeut
„Wenn ich mich wirklich in einen anderen Menschen hineinfühle, ohne zu urteilen, ohne ihn verändern zu wollen – dann geschehen oft unerwartete Wandlungsprozesse.“– Carl R. Rogers
1. Was ist Empathie wirklich?
Empathie wird heute in Alltagspsychologie, Managementliteratur und Social Media inflationär verwendet. Doch was meint der personzentrierte Ansatz wirklich, wenn er von Empathie spricht? Carl Rogers hat Empathie als eine der drei notwendigen und hinreichenden Bedingungen für persönliche Veränderung beschrieben – neben Wertschätzung und Kongruenz.
Doch: Empathie ist mehr als Mitgefühl. Sie ist ein fein abgestimmtes „Hineinversetzen in die Erlebniswelt eines anderen“, wie Rogers es nannte – ohne sich selbst zu verlieren, ohne zu analysieren oder zu interpretieren. Empathie ist spürende Ko-Existenz im Moment.
Sie ist kein Wissen über den anderen, sondern ein sich auf ihn einlassen in seinem So-Sein – eine Resonanzbeziehung auf Augenhöhe.
2. Personale Resonanz: Mehr als ein Echo
Personale Resonanz bedeutet mehr als nur „Widerhall“. Sie entsteht, wenn wir mit unserem ganzen Wesen antworten – nicht nur kognitiv oder emotional, sondern auch leiblich, atmosphärisch, dialogisch.

Resonanz ist:
Ein Mitschwingen – nicht bloß Mitfühlen.
Ein Anerkennen – nicht ein Bewerten.
Ein Erwidern – nicht ein Reagieren.
In der Resonanz zeigt sich das, was Peter F. Schmid als „Begegnung im Modus der Authentizität“ beschreibtDiagnose durch Dialog. Es geht nicht darum, zu machen, sondern sich zu zeigen und dem anderen Raum zu geben, sich selbst zu zeigen.
3. Therapeutische Beziehung: Resonanz statt Methode
In der Gesprächspsychotherapie ist die Beziehung nicht die Vorbereitung für Intervention – sie ist die Intervention
PZA eine zu stille Revolution …. Diese Haltung widerspricht vielen gängigen Therapieparadigmen, die Beziehung als „Allianz“, „Setting“ oder „Vertrauensbasis“ für spätere Techniken verstehen.
Der personzentrierte Ansatz kehrt das um:
Die Beziehung selbst ist die heilende Kraft.
In ihr entsteht jene Atmosphäre, in der sich das Gegenüber sicher genug fühlt, um sich selbst zu begegnen. Diese Ermöglichungsstruktur basiert nicht auf Wissen, sondern auf Haltung: Offenheit, Nichtwissen, Präsenz.
4. Empathie und Selbst: Zwei Richtungen, ein Prozess
Rogers hat in seiner Forschung gezeigt: Empathie ist nicht nur für den Klienten heilsam – auch der Therapeut verändert sich. Wer empathisch ist, wird selbst berührbar, verletzlich, menschlich. In echter Resonanz wächst nicht nur der andere – ich wachse mit.
Daraus ergeben sich ethische Konsequenzen: Wer empathisch ist, übernimmt Verantwortung für seine Haltung. Er achtet darauf, nicht übergriffig zu werden. Empathie heißt auch: die Grenze zu spüren und zu wahren.
5. Fazit: Empathie als radikale Haltung
Empathie und personale Resonanz sind keine Techniken, sondern eine radikale Haltung: menschlich, unaufdringlich, aufrichtig. Sie sind unbequem in einer Welt, die auf Effizienz, Kontrolle und Zielorientierung setzt. Doch genau darin liegt ihre transformative Kraft.
Wenn ich wirklich bei dir bin – ohne dich ändern zu wollen –, dann kann etwas in dir aufatmen.
Empathie ist kein Mittel zum Zweck. Sie ist das Ziel selbst. Und Resonanz ist ihr Klang.
Weiterführende Impulse:
Carl R. Rogers: Die klientenzentrierte Therapie
Peter F. Schmid: Authentizität – Person sein heißt, sich ins Spiel zu bringen
Eva-Maria Biermann-Ratjen: Gesprächspsychotherapie. Lehrbuch2012_Biermann-Ratjen-Ec…
Jürgen Kriz: Rogers als empirischer PsychotherapieforscherRogers-Wissen 1
💬 Was bedeutet Empathie für dich – in deiner beruflichen Rolle oder in deinen Beziehungen?Ich freue mich auf Kommentare, Reflexionen und Resonanz.