đ Paul Watzlawick: âWenn die Lösung das Problem istâ
- Thomas Laggner
- 26. Apr.
- 11 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Apr.
1. Grundidee
Paul Watzlawick, ein kluger und humorvoller Kommunikationswissenschaftler und Psychotherapeut, bringt mit diesem Satz eine paradoxe Beobachtung auf den Punkt: Manchmal erzeugt die Art, wie Menschen ein Problem zu lösen versuchen, erst recht oder sogar erst das eigentliche Problem.
Das bedeutet:
Die angewandte "Lösung" verstÀrkt oder verschÀrft das Problem.
Die "Lösung" verhindert die tatsÀchliche VerÀnderung.
Manchmal erschaffen wir durch unsere Lösungsversuche ein neues Problem.

Er spricht hier eine wichtige psychologische Dynamik an: Dass unser Denken in âWenn ich nur X mache, dann wird Y besserâ in eine Sackgasse fĂŒhren kann, wenn X das eigentliche Problem ĂŒberhaupt nicht löst, sondern verdeckt, verstĂ€rkt oder verlagert.
2. Ein einfaches Beispiel zur Veranschaulichung
Stell dir vor: Ein Mann fĂŒhlt sich von seiner Partnerin missverstanden.
Er denkt: âWenn ich mich noch ausfĂŒhrlicher erklĂ€re, wird sie mich endlich verstehen.â Also redet er immer mehr, detaillierter, und vielleicht auch immer fordernder.
Was passiert?
Die Partnerin fĂŒhlt sich ĂŒberrollt, unter Druck gesetzt oder genervt.
Sie schaltet emotional ab oder zieht sich zurĂŒck.
Der Mann fĂŒhlt sich dadurch noch weniger verstanden â genau das Gegenteil seiner Hoffnung tritt ein!
Hier ist das stÀndige ErklÀren seine "Lösung",aber genau diese "Lösung" macht das eigentliche Problem schlimmer.
3. Warum passiert das?
Weil Menschen in Stress oder bei komplexen Problemen oft automatisch âmehr desselbenâ versuchen.Das heiĂt:
Wenn etwas nicht funktioniert, glauben wir unbewusst: âDann muss ich es einfach noch intensiver tun!â
Wir Àndern aber nicht die Art unseres Handelns, sondern nur die Menge oder die Anstrengung.
Watzlawick zeigt uns: Echte VerĂ€nderung braucht oft ein anderes Denken, eine neue Perspektive â nicht nur âmehr vom Gleichenâ.
4. Typische Alltagsbeispiele
Ein Chef kontrolliert immer strenger, weil die Mitarbeiter ânicht ordentlich arbeitenâ. Das demotiviert sie noch mehr.
Eine Mutter hilft ihrem Kind immer schneller bei Problemen, damit es selbststĂ€ndiger wird â aber dadurch lernt das Kind weniger SelbststĂ€ndigkeit.
Ein Mensch meidet soziale Situationen, weil er Angst hat, Fehler zu machen â und genau dadurch wird seine soziale Unsicherheit gröĂer.
In allen FÀllen wird die gut gemeinte Lösung selbst zum Problem!
5. Watzlawicks wichtige Botschaft dahinter
Paul Watzlawick lÀdt uns ein, systemischer zu denken:
Nicht nur auf das Symptom zu starren (âWas lĂ€uft falsch?â),
sondern auf die Dynamik zu schauen (âWie wirkt das, was ich tue, auf das Ganze?â).
Erkenntnis: Oft braucht es nicht mehr Anstrengung, sondern einen komplett anderen Ansatz, einen Wechsel der Logik, eine echte Umdeutung.
Sein Humor hilft dabei: Er zeigt, dass menschliches Verhalten manchmal wunderbar irrational und gleichzeitig völlig nachvollziehbar ist.
đ Wie Roland Kopp-Wichmann âWenn die Lösung das Problem istâ versteht
1. Seine Perspektive: Die innere Lösung ist oft das eigentliche Problem
Kopp-Wichmann geht davon aus, dass viele Menschen unbewusst eine innere Strategie entwickelt haben, die sie schĂŒtzen oder entlasten soll â aber diese Strategie hindert sie gleichzeitig daran, echte VerĂ€nderungen zu erreichen.
Er sagt also:đ Das Problem liegt nicht nur im Verhalten, sondern in einem tief verankerten psychischen Schutzmechanismus.
Beispiele seiner Sichtweise:
Jemand leidet unter Einsamkeit â aber sein Schutzmechanismus lautet: âIch darf niemandem zeigen, wie bedĂŒrftig ich bin.ââ Diese Schutzstrategie verhindert NĂ€he und Kontakt â und genau das erzeugt die Einsamkeit.
Eine Frau hat panische Angst vor Misserfolg â also vermeidet sie systematisch neue Herausforderungen.â Ihr Schutzmechanismus lautet: âNur wenn ich nichts riskiere, kann ich nicht scheitern.âDoch dadurch erlebt sie nie Erfolg â und fĂŒhlt sich wertlos.
Kurz gesagt:
âĄïž Die ursprĂŒnglich sinnvolle Lösung (Schutz, Sicherheit, Kontrolle) wird spĂ€ter zum GefĂ€ngnis.
2. Vergleich zu Watzlawick
Watzlawick | Kopp-Wichmann |
Betonung auf Kommunikation und Systemdynamik. | Betonung auf unbewusste psychische Schutzmuster. |
Fokus: âWas verschlimmert das Problem von auĂen?â | Fokus: âWas in dir selbst hĂ€lt das Problem am Leben?â |
Typisch systemischer, interaktionaler Ansatz. | Typisch tiefenpsychologisch geprÀgter Ansatz. |
Beide haben Recht â sie schauen nur aus verschiedenen Ebenen auf dasselbe menschliche PhĂ€nomen: Wir lösen Probleme manchmal auf eine Weise, die neue oder tiefere Probleme schafft.
đŻ Was Kopp-Wichmann besonders betont
FrĂŒhe PrĂ€gungen: Viele dieser âLösungenâ sind schon in Kindheit oder Jugend entstanden.
Emotionale Schutzmechanismen: Angst, Scham, Schuld spielen eine groĂe Rolle.
Keine kognitive Lösung reicht: Es genĂŒgt nicht, logisch zu verstehen, was falsch lĂ€uft â man muss oft emotionalneue Erfahrungen machen (z.âŻB. Angst aushalten lernen, Bindung riskieren, Scham ĂŒberwinden).
ab Minute 49 findet sich
Darum arbeitet Kopp-Wichmann gerne mit Methoden wie:
Innerer Dialog (Arbeit mit inneren Anteilen),
Biografische Selbstreflexion,
Intensives Coaching in der Begegnung, wo reale emotionale Erfahrungen möglich sind.
đž Mein ergĂ€nzender Gedanke
Gerade in der Arbeit als personzentrierter Psychotherapeut und Coach, finde ich die Synthese beider Perspektiven besonders wertvoll:
Watzlawick hilft dir, die Ă€uĂere Kommunikation und Muster im System zu erkennen.
Kopp-Wichmann hilft dir, die inneren Schutzmechanismen und IdentitÀtsmuster deiner Klient:innen aufzudecken.
Beides zusammen ergibt eine unglaublich kraftvolle, ganzheitliche Sichtweise:
đč Systemische UND tiefenpsychologische Klugheit in einem.
đč Verhalten UND innere Motivation gleichzeitig im Blick.
đč VerĂ€nderung durch neues Erleben â nicht nur durch Einsicht.
đ Kurzes Schlussbild
Wenn Watzlawick sagt:
âMehr vom Gleichen verschĂ€rft das Problem.â
Dann ergÀnzt Kopp-Wichmann:
âWas du als Schutz aufgebaut hast, verhindert, dass du dein BedĂŒrfnis erfĂŒllst.â
Beides zeigt: Wirkliche VerĂ€nderung bedeutet oft, etwas völlig Neues zu wagen â im AuĂen UND im Inneren.
đż Wittgenstein, das Fliegenglas und der verborgene Ausgang
1. Die Fliegenglas-Metapher
Ludwig Wittgenstein beschreibt in seinem SpĂ€twerk, besonders in den Philosophischen Untersuchungen (nicht im Tractatus selbst, sondern spĂ€ter!), das berĂŒhmte Bild:
âDie Aufgabe der Philosophie ist es, die Fliege aus dem Fliegenglas zu befreien.â
Was ist damit gemeint?
Das Fliegenglas symbolisiert unsere sprachlichen und gedanklichen Verstrickungen.
Wir (wie Fliegen) schwirren verzweifelt herum, stoĂen stĂ€ndig gegen die unsichtbare Glaswand â wir sind gefangen in unseren eigenen Denkstrukturen.
Wir sehen das Hindernis nicht wirklich, wir spĂŒren nur das immer gleiche Scheitern.
Der Ausgang aus diesem GefĂ€ngnis ist da â aber wir können ihn nicht sehen, weil wir immer in den gleichen Mustern kreisen.
Der Ausgang liegt â wie du richtig sagst â im Dunkeln, verborgen durch unsere eigene Art zu denken und zu sprechen.
2. Der tiefere Sinn: Nicht mehr Denken, sondern anders Denken
Wittgenstein macht klar:
Das Problem ist nicht, dass uns Wissen fehlt.
Sondern: Unsere Begriffe und Konzepte verstellen den Weg.
Deshalb bringt es nichts, immer neue Theorien zu bauen oder neue Lösungen zu suchen.Sondern: Wir mĂŒssen lernen, anders zu schauen.
đ Philosophie (und Therapie!) bedeutet hier:
Den Menschen helfen, ihre blinden Flecken zu erkennen.
Ihnen helfen, aus ihren gedanklichen Labyrinthen herauszufinden.
Die Stille unter dem LÀrm der Gedanken hörbar zu machen.
đŻ Verbindung zu "Wenn die Lösung das Problem ist"
Das passt wunderschön zu unserem bisherigen Bogen:
Perspektive | Bild |
Watzlawick | Mehr vom Gleichen verschÀrft das Problem |
Kopp-Wichmann | Schutzmuster blockieren echte VerÀnderung |
Wittgenstein | Denk- und Sprachmuster verhindern Klarheit und Freiheit |
Wittgenstein geht noch radikaler:
âĄïž Es gibt keine âLösungâ im klassischen Sinn.
âĄïž Es gibt nur das Aufwachen aus der Illusion, dass wir richtig sehen, obwohl wir uns im Kreis drehen.
âDie Lösung des Problems merkt man an seinem Verschwinden.â
(Tractatus, §6.521)
đž ErgĂ€nzende Gedanken
FĂŒr die Lebensberatung und Psychotherapie bedeutet das:
Probleme nicht nur lösen wollen â sondern verstehen, was Menschen glauben, was ihr Problem ĂŒberhaupt ist.
Den "Glasrand" ihrer Denkweise sichtbar machen, ohne zu belehren.
Geduldig und liebevoll RĂ€ume schaffen, in denen neue Sichtweisen âvon innenâ wachsen können.
Vielleicht könnte das Motto sein:

âš âNicht die Antworten liefern â sondern die Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen lassen, damit der Ausgang erscheinen kann.â âš

Menschen sind wie Fliegen im Glas. Sie suchen verzweifelt den Ausgang, doch ihr eigenes Denken macht ihn unsichtbar. Philosophie und Therapie sind keine Taschenlampen, sondern stille HĂ€nde, die das Glas aufschrauben und warten, bis der Flug neu beginnen kann.
đż Bernd Isert: âDie Lösung lauert ĂŒberallâ
1. Die tiefe Bedeutung
Bernd Isert (bekannt als Pionier des NLP, systemischer Coach und Hypnotherapeut) wollte mit diesem Satz eine entscheidende Haltung vermitteln:
Lösungen sind nicht selten, sondern allgegenwĂ€rtig.Wir mĂŒssen nur unsere Wahrnehmung erweitern.
Er meint:
In jedem Problem liegt bereits der Keim der Lösung.
Oft ist die Lösung nicht dort, wo wir krampfhaft suchen, sondern versteckt an den RĂ€ndern, im scheinbar NebensĂ€chlichen, im Unbewussten, in der Interaktion mit anderen oder sogar in unseren âFehlernâ.
Nicht mehr Anstrengung, sondern offenes, kreatives Schauen fĂŒhrt zu Erkenntnissen.
Kurz gesagt:âĄïž Lösungen sind da â wir mĂŒssen lernen, sie zu entdecken, nicht sie zu erzwingen.
2. Verbindung zu Wittgenstein und Watzlawick
Jetzt wird es richtig schön rund:
Name | Haltung zur Lösung |
Watzlawick | Mehr desselben verschÀrft das Problem. Lösung braucht ein Umdenken. |
Wittgenstein | Denk- und Sprachmuster verstellen die Sicht. Lösung liegt im Perspektivwechsel. |
Isert | Lösungen sind schon ĂŒberall da â wenn du deinen Blick weitest. |
Alle drei eint: Nicht Anstrengung und Wiederholung bringen uns weiter,sondern ein neues, offenes Sehen.
3. Praktische Bedeutung
In der Psychotherapie, im Coaching oder der Mediation bedeutet das:
Vertrauen darauf, dass der Klient bereits Ressourcen in sich trÀgt.
Den Raum halten, damit etwas auftauchen kann, das noch unsichtbar war.
Nicht ârichtig machenâ wollen, sondern dem Fluss vertrauen â dem Prozess.
Feine Signale, kleine Impulse und intuitive Eingebungen ernst nehmen.
âš Manchmal ist eine kleine Regung im Gesicht, ein Satz, der im Nebensatz fĂ€llt, ein emotionaler Seufzer der SchlĂŒssel zur nĂ€chsten TĂŒr.
Die Lösung ist oft leise â nicht laut.
đŻ Bernd Iserts Philosophie in einem Satz zusammengefasst:
Ăffne deine Sinne â und die Welt antwortet.
Die Lösung lauert ĂŒberall.
Manchmal versteckt im Schatten eines Gedankens,manchmal verborgen in einem Atemzug,manchmal blinzelnd zwischen den Zeilen.
đŹ Fragen zum Innehalten:
Was sehe ich noch nicht?
Wo könnte schon eine Antwort auf mich warten?
Wie wÀre es, nicht zu suchen, sondern zu empfangen?
đż Was ist âWeisheitâ â im Sinne von Watzlawick, Wittgenstein und Isert?
1. Weisheit bei Paul Watzlawick:
Die Erkenntnis, dass mehr vom Gleichen nicht hilft
FĂŒr Watzlawick ist Weisheit nicht Wissen im klassischen Sinn,sondern die FĂ€higkeit,
festzustellen, wann unser Handeln das Problem verschÀrft,
innezuhalten,
und etwas völlig Anderes zu wagen.
đȘ Weisheit heiĂt hier:
Den Mut haben, nicht nur die Lösung zu hinterfragen â sondern auch die eigene Perspektive.
Es ist die Kunst, sich selbst zu irritieren, bevor die Welt es tun muss.
2. Weisheit bei Ludwig Wittgenstein:
Die stille KlÀrung der eigenen Gedanken
FĂŒr Wittgenstein entsteht Weisheit dort,wo wir erkennen,
dass viele unserer Probleme MissverstÀndnisse sind,
dass unser Denken sich selbst in die Irre fĂŒhren kann,
dass echte Klarheit nicht durch neue Antworten, sondern durch das Auflösen falscher Fragen entsteht.
đŻïž Weisheit heiĂt hier:
Den LĂ€rm der Begriffe durchdringen und still werden,damit das Wesentliche von selbst sichtbar werden kann.
Es ist das leise Durchschauen der eigenen geistigen GefÀngnisse.
3. Weisheit bei Bernd Isert:
Das Vertrauen, dass Lösungen bereits vorhanden sind
FĂŒr Isert ist Weisheit die lebendige Offenheit gegenĂŒber der Welt:
Nicht die Kontrolle bringt Erkenntnis,
sondern das Lauschen, das Wahrnehmen, das Zulassen.
đ± Weisheit heiĂt hier:
Zu vertrauen, dass im Chaos des Lebens bereits Wege angelegt sind âund die Bereitschaft, sie zu entdecken, wenn wir aufhören, sie zu erzwingen.
Es ist das tiefe Vertrauen in die FĂŒlle des Lebens.
âš Zusammengesetzte Definition von Weisheit
Wenn wir die drei AnsÀtze zusammenlegen, könnte Weisheit so klingen:
đ Weisheit ist âŠ
das Erkennen, wann unsere eigenen Denk- und Handlungsmuster uns gefangen halten (Watzlawick),
das stille Auflösen sprachlicher und geistiger Verstrickungen (Wittgenstein),
das vertrauensvolle Ăffnen fĂŒr Lösungen, die schon da sind, wenn wir bereit sind, anders zu sehen (Isert).
đ Poetische Zusammenfassung
Weisheit ist nicht das Wissen um viele Dinge,sondern die FĂ€higkeit, im rechten Moment innezuhalten,sich selbst infrage zu stellen,und das FlĂŒstern der Lösung in der Stille zu hören.
đŻ Praktischer Impuls
In deiner Praxis und Arbeit könnte Weisheit bedeuten:
Nicht vorschnell RatschlÀge geben,
sondern mit dem Klienten gemeinsam still werden, das Problem âausatmen lassenâ,
und Raum geben, dass die Lösung sich zeigt.
Du bist dann wie ein LaternenanzĂŒnder (Saint-ExupĂ©ry lĂ€sst grĂŒĂen đ):
Du bringst nicht das Licht,du hilfst den anderen, ihr eigenes Licht in der Dunkelheit zu entdecken.
đ·ïž In einem Satz:
Weisheit ist der Mut zur Stille, die Demut des Zweifelns und die Kunst des Lauschens auf das, was sich zeigen will. đż
đ Analyse: "Wenn das Symptom die Lösung ist"
1. Grundgedanke: Symptom als unbewusste Schutzstrategie
In der psychotherapeutischen Perspektive, die Roland Kopp beschreibt, wird ein Symptom nicht als âFehlerâ oder âStörungâ angesehen, sondern als kreative Anpassungsleistung auf einen inneren Konflikt oder eine unlösbar erscheinende Anforderung.
đ Das Symptom "löst" das Problem auf der emotionalen Ebene, indem es verhindert, dass der Mensch sich einer Situation aussetzt, die ihn (noch) ĂŒberfordert, Ă€ngstigt oder tief verunsichert.
Beispiel aus dem Text:
Ein Student schiebt wiederholt sein Examen auf.
Das bewusste Thema scheint "Prokrastination" zu sein.
Das unbewusste Thema ist die Angst vor dem endgĂŒltigen Erwachsenwerden â mit allen Konsequenzen: Verlust von Freiheit, Ăbernahme von Verantwortung, SelbststĂ€ndigkeit, eventuelle EnttĂ€uschung der eigenen TrĂ€ume.
Das Symptom (Aufschieben) bewahrt ihn davor, sich diesen Ăngsten stellen zu mĂŒssen.
Fazit:â Das Symptom verzögert die Konfrontation mit einer existenziellen Bedrohung â in diesem Fall der Angst vor dem Leben als Erwachsener.â Das Symptom ist damit aktuell die beste Lösung, die dem inneren System zur VerfĂŒgung steht.
2. Das Symptom als Ausdruck innerer BedĂŒrfnisse
Roland Kopp betont auĂerdem, dass im Symptom die wahren BedĂŒrfnisse verborgen liegen.
In unserem Beispiel:
BedĂŒrfnis nach Sicherheit.
BedĂŒrfnis nach Autonomie und freier Zeiteinteilung.
BedĂŒrfnis nach Schutz vor einer als einengend oder beĂ€ngstigend empfundenen Erwachsenenwelt.
Das Symptom schĂŒtzt also diese BedĂŒrfnisse â auf eine indirekte, aber tief wirksame Weise.
3. Warum entdeckt man das alleine kaum?
Roland Kopp beschreibt treffend, dass diese Mechanismen unbewusst ablaufen:
Niemand denkt bewusst: âIch habe Angst, erwachsen zu werden, also schiebe ich.â
Die Person erlebt nur: "Ich bin unmotiviert, ich komme nicht ins Tun."
Da es keine bewusste Entscheidung ist, ist Selbsterkenntnis ohne UnterstĂŒtzung (Therapie, Coaching) sehr schwer.
Deshalb: Eine auĂenstehende Person (z.âŻB. ein Therapeut) kann Hypothesen aufstellen, Reflexion ermöglichen und einen Raum schaffen, in dem der tiefere Sinn des Symptoms erkannt werden kann.
4. Verallgemeinerung: Viele Symptome haben eine âLösungsfunktionâ
Diese Betrachtung lÀsst sich auf viele Lebensbereiche anwenden:
Symptom | Unbewusste Schutzfunktion |
Angststörung | Schutz vor unkontrollierbaren Situationen |
Depression | RĂŒckzug als Schutz vor Ăberforderung |
Essstörung | Kontrolle ĂŒber eigene Grenzen |
SĂŒchte | Flucht aus unertrĂ€glichen GefĂŒhlen |
Perfektionismus | Vermeidung von Kritik und Ablehnung |
In allen FĂ€llen ist das Symptom nicht âböseâ oder âdummâ, sondern sinnvoll â wenn auch auf eine fĂŒr das Leben limitierende Weise.
⚠ErgÀnzende Gedanken und Impulse
Personzentrierter Ansatz (Carl Rogers): Auch Rogers ging davon aus, dass Symptome versuchte Lösungen sind, die auf den besten Möglichkeiten basieren, die eine Person aktuell hat.In einem Klima von WertschĂ€tzung, Empathie und Kongruenz können Menschen neue, gesĂŒndere Lösungswege entwickeln.
Systemische Sichtweise: Im systemischen Denken wird oft gefragt:"Was ermöglicht das Symptom?""Was wird durch das Symptom vermieden oder reguliert?"Dadurch verschiebt sich der Blick weg von "Fehler korrigieren" hin zu "Sinn verstehen".
Praktische Arbeit in Therapie und Coaching: Wenn ein Symptom als Lösung erkannt wird, kann der nĂ€chste Schritt sein: Neue, bewusstere Lösungen finden, die die gleichen BedĂŒrfnisse besser erfĂŒllen â ohne die schĂ€dlichen Nebenwirkungen.
đ Zusammenfassung in einem Satz:
Ein Symptom ist oft eine kreative, unbewusste Strategie, um eine als bedrohlich erlebte innere oder Ă€uĂere RealitĂ€t bewĂ€ltigbar zu halten â und trĂ€gt in sich bereits den SchlĂŒssel zu tieferem VerstĂ€ndnis und Heilung.
Quintessenz der Aussagen von Matthias Varga von Kibed
1. Jede Struktur ist eine sinnvoll gewordene Antwort
Was wir als "Problem" erleben, war ursprĂŒnglich eine Lösung auf frĂŒhere Herausforderungen.Systemische Arbeit heiĂt deshalb nicht: "Fehler beheben" â sondern: die Weisheit hinter der bestehenden Struktur wĂŒrdigen und auf dieser Basis neue Wege ermöglichen.
"Jede Struktur verdient Respekt, weil sie aus einer Notwendigkeit geboren wurde."
2. VerÀnderung geschieht durch Wahrnehmung, nicht durch Reparatur
Nicht das direkte Eingreifen und "VerĂ€ndern-Wollen" bringt Heilung â sondern das sichtbar Machen und Erleben von Strukturen.Wenn Menschen Systeme anders sehen, verĂ€ndert sich ihr inneres Bild â und damit ihre Haltung und ihr Handeln.
"Wahrnehmen verÀndert mehr als Wollen."
3. Systemische Strukturaufstellungen sind eine Grammatik â kein starres Verfahren
SySt ist wie eine Sprache, nicht wie ein Rezept:
Sie gibt Formen und Muster vor, die helfen, Klarheit zu schaffen.
Aber sie lÀsst unendlich viele individuelle Gestaltungen offen.
Das Ziel ist Ermöglichung, nicht Vorschrift.
"SySt schafft RĂ€ume fĂŒr Entfaltung, keine Schablonen."
4. Fragen sind mÀchtiger als Antworten
In seiner Sichtweise sind Fragen Werkzeuge, die innere Bewegungen ermöglichen:
Gute Fragen öffnen Horizonte.
Sie stÀrken die Selbstorganisation des Systems.
Fragen sind Interventionen ohne Gewalt.
"Die beste Intervention ist eine Einladung durch eine Frage."
5. Die Haltung entscheidet alles
Wesentlich ist eine tief respektvolle, offene, nicht wissende Haltung gegenĂŒber den Menschen und ihren inneren Welten.Demut statt Besserwisserei. Spielerische Neugier statt Schwere.
"Nicht wir heilen â Systeme heilen sich selbst, wenn wir sie wĂŒrdigen und freilegen."
Ein Satz, der alles zusammenfasst
Wenn ich die gesamte Essenz von Varga von Kibeds Aussagen in einen Satz bringen mĂŒsste, wĂŒrde ich sagen:
âDie WĂŒrdigung des Bestehenden und das achtsame Eröffnen neuer MöglichkeitsrĂ€ume fĂŒhren zu nachhaltiger und selbstorganisierter VerĂ€nderung.â